Arbeitsrechte hinter Gittern?

Artikel 12 unseres Grundgesetzes garantiert allen in Deutschland lebenden Menschen die freie Wahl über Beruf und Arbeitsplatz. Allen, außer Strafgefangenen, denn hinter den Mauern gelten bekanntermaßen eigene Gesetze. Absatz drei macht es möglich, dass Inhaftierte in einigen Bundesländern regelrecht ausgebeutet werden: „Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig“. Ob und wie dieser Zusatz Anwendung findet, wird auf Landesebene entschieden. Nur Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Sachsen verbieten die Verpflichtung zur Arbeit im Gefängnis. In allen anderen Bundesländern müssen Insassen – zumindest unter bestimmten Voraussetzungen – arbeiten.

Gefangene haben keine Arbeitnehmer:innen-Rechte

Das Gesetz sagt zudem, dass Gefangene nicht als Arbeitnehmende gelten. Kein Mindestlohn, keine Anrechnung auf die Rente und schuften, selbst wenn die Kolleg:innen draußen streiken. Zwischen ein bis drei Euro Stundenlohn werden für Tätigkeiten bezahlt, die unter „normalen“ Bedingungen mindestens das Fünffache wert sind. Für Unternehmen ist das Geschäft mit den Gefangenen äußerst profitabel. Der Nahrungsmittelproduzent Dr. Oetker beschäftigt Insassen bei der Kommissionierung und Konfektionierung von Aufträgen für 10,27 Euro pro Stunde. Dabei führt er keine Arbeitsverträge mit den Ausübenden selbst, sondern mit den Vollzugsanstalten, die Dank der niedrigen Löhne ca. sieben Euro pro Stunde mitverdienen.

Struktur und Resozialisierung werden als Hauptargumente für die Verpflichtung von Strafgefangenenbeschäftigung genannt. Hinzu kommen die Unterkunftskosten in Höhe von knapp über 100 Euro pro Tag. Würden die Einnahmen an die Anstalten aus der Insassenarbeit wegfallen, müssten diese selbst für ihren unfreiwilligen Schlafplatz bezahlen. Auch die Unternehmen machen Druck: Sollten deutsche Gefängnisse ihre Gehälter erhöhen, so drohen sie, ihre Arbeitsplätze nach China auszulagern.

Verfassungswidrige Löhne in deutschen Gefängnissen

1988 wurden die Löhne vom Bundesverfassungsgericht bereits als verfassungswidrig eingestuft, dennoch erfolgte seitdem keine Anpassung nach oben. Eine endgültige Entscheidung über die Höhe des Entgelts wurde nicht zuletzt wegen der Corona Pandemie mehrfach verschoben. Bis dahin gilt: Unser Strafvollzugssystem macht es möglich, dass „Made in Germany“ – Produkte unter Billiglöhnen und fern von Arbeitsrechten hergestellt werden können.

Veröffentlicht am : 28.07.2021