Frauen leiden deutlich öfter an Burnout als Männer. Das liegt aber nicht etwa an geschlechtsspezifischen Eigenschaften, sondern rührt von weiteren vorherrschenden Gender Gaps.
Psychische Erkrankungen sind die häufigste Ursache für eine Berufsunfähigkeit. Darunter fällt auch Burnout, das 2019 von der WHO als gesundheitsschädigendes Syndrom durch Belastungen am Arbeitsplatz klassifiziert wurde. Eine aktuelle Umfrage des Versicherungsunternehmens Swiss Life macht auf geschlechterbezogene Unterschiede aufmerksam: 51 Prozent der befragten Frauen leiden unter Burnout-Symptomen, während es bei den Männern nur 27 Prozent sind. Mit 44 Prozent sind Arbeitnehmerinnen aufgrund von psychischen Erkrankungen zudem deutlich häufiger arbeitsunfähig als ihre männlichen Kollegen (28 Prozent).
Studien in den USA ergaben, dass geringere Einkommen mehr Stress verursachen. Dementsprechend sind Frauen durch eine systematisch ungleiche Bezahlung höheren Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Expert:innen nennen aber noch weitere Gründe für die Burnout-Gender Gap, von der auch die Frauen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten mehrheitlich betroffen sind: Machtvolle Positionen sind meistens männlich besetzt. Obwohl wir Stress eher mit Führungsjobs assoziieren, sind es gerade Stellen mit wenig Autorität, die zu einer höheren Frustration führen. Wissenschaftler:innen der Universität Montreal konnten einen Zusammenhang zwischen geringeren Aufstiegschancen und einer höheren Wahrscheinlichkeit von negativen psychischen Folgen bei Frauen nachweisen.
Hinzu kommt das private Leben: Unser Festhalten an traditionellen Rollenbildern bringt insbesondere arbeitende Mütter an und über ihre Belastungsgrenzen. Durch die Corona-Pandemie hat dieser Effekt in den letzten Jahren zugenommen. Die Vorstellung von einer perfekten Work-Life-Balance und großer Flexibilität durch hybride Arbeitsmodelle wurde längst wieder endromantisiert. Zwischen Hausaufgaben und Zoom Calls mit Geräuschkulisse bringt uns das Home Office eher auf die Therapeut:innencouch als in die gewünschte Balance.
Wie können wir verhindern, dass zunehmende Burnout-Diagnosen unsere hart erkämpften Fortschritte der letzten Jahre zerstören? Immer mehr Unternehmen bieten Meditation und Resilienz-Training an. Eine schöne Idee, die Wertschätzung signalisiert und meist mit offenen Armen angenommen wird. Nur sollte sie nicht über das Ziel eines Benefits hinausgedacht werden. Um Burnout-Erkrankungen im Unternehmen nachhaltig zu verringern, reicht eine Yogaklasse sicherlich nicht aus.
Zunächst einmal müssen wir aufhören, Burnout als individuelles Problem zu betrachten. Die Ursachenbekämpfung und Vorbeugung liegt in Unternehmenshänden. Unfaire Arbeitsbedingungen, utopischer Workload, interne Kommunikationsprobleme und Zeitdruck sind häufig genannte Faktoren, die Stress verursachen und durch eine gute Struktur beseitigt werden können. Externe Faktoren wie die Kinderbetreuung sollten zugunsten der Arbeitnehmer:innen mit einbezogen werden – auch im Sinne der Organisationsinteressen. Denn nicht ohne Grund heißt es „Culture eats strategy for breakfast“.
Veröffentlicht am : 13.10.2021