Female Empowerment – ein Begriff, den viele von uns schonmal gehört haben, aber nicht genau definieren können – auch wenn wir ahnen, dass er etwas mit Feminismus zu tun hat. Zugegeben, es ist ein komplexer Begriff und auch eine komplexe Idee, die dahinter steht.
Frauen verdienen im Durchschnitt rund 18 Prozent weniger als Männer (unbereinigte Gender Pay Gap). Zudem gibt es keinen Arbeitsbereich, in dem Frauen im Schnitt gleich viel oder sogar mehr als Männer verdienen.
Klar ist: Frauen werden immer noch strukturell benachteiligt, und das insbesondeream Arbeitsplatz. Und genau da kommt Female Empowerment ins Spiel.
Das Konzept zielt darauf ab, Frauen zu stärken und damit die Rahmenbedingungen für Gleichberechtigung zu schaffen. Es geht aber weniger darum, diese Gleichberechtigung in der männerdominierten (Karriere-)Welt von außen zu erzwingen., Stattdessen sollen Frauen so gefördert werden, dass sie sich selbst für ihre Ansätze und Ideen stark machen; sie werden also “empowert”. Oft sind die Standards, die wir erfüllen sollen, wie auch die Ideale an denen wir uns messen und die Strukturen in denen wir uns bewegen, aus einem System entsprungen, das die Bevorzugung von Männern internalisiert hat und das auch reproduziert. Kurz gesagt, bei „Female Empowerment” geht darum ein neues gleichberechtigtes System zu schaffen indem Frauen gestärkt werden.
Die meisten Inhalte, die sich mit dem „Female Empowerment“ befassen, adressieren nur Frauen, um ihnen Tipps an die Hand zu geben. Da fragt man sich, ob Männer nicht auch etwas gegen die vorherrschenden ungerechten Strukturen tun können und sollten?
“Female Empowerment” will zur gesellschaftlichen Veränderung motivieren. Dafür braucht es jedoch nicht nur Möglichkeiten für Frauen sich gegenseitig aufzubauen und zu unterstützen, sondern auch Raum für Männer und nicht-binäre Menschen, um sich in diesem neuen System wiederfinden zu können. Sicherlich brauchen wir kein „Male Empowerment“, den ein männlich dominiertes System haben wir ja bereits. Trotzdem, müssen sich die Strukturen, die hinter problematischem männlichem Verhalten stecken, verändern – und mit ihnen das Verhalten. Hierbei gibt es zwei Ebenen: problematisches Verhalten gegenüber Frauen und problematisches Verhalten zwischen Männern untereinander.
Ersteres umspannt eine Vielfalt an Verhaltensweisen, die in ihrer Sichtbarkeit stark variieren. Darunter fallen zum Beispiel sexuelle Belästigung, Gewalt oder andere Formen der Misshandlung von Frauen. Aber auch subtilere Formen, wie die Aufteilung von Care Arbeit, fallen in diese Kategorie. Der Anteil an Frauen, die täglich kochen und/oder sich um den Haushalt kümmern lag 2019 bei 72 Prozent, während er bei Männern bei 29 Prozent lag. Diese Spaltung hat während der Pandemie sogar zugenommen.
Die andere Ebene, das problematische Verhalten von Männern untereinander, wir oft unter dem Begriff „Toxic Masculinity“ (Toxische Männlichkeit) diskutiert und hängt vor allem mit dem stigmatisierten Bild von Männern in der Gesellschaft zusammen. Von Männern wird erwartet, dass sie als Versorger auftreten. Dieses Bild mag zunächst veraltet klingen. Dass Frauen aber im Schnitt weniger verdienen und Mütter immer noch beruflich zurückstecken müssen zeigt, wie wenig wir uns von den traditionellen Rollenmustern entfernt haben. Problematisch ist auch der Druck, den wir dadurch auf Männer ausüben, denn wer die Versorger-Rolle hat, darf keine Schwäche zeigen. Ein Job-Verlust kann dadurch schnell zu einer echten Krise führen. Unser toxisches Männerbild könnte sogar die höhere Suizidrate und größere Fallrate an psychischen Krankheiten unter Männern mitverursachen.
Female Empowerment ist in diesem Fall auch eine Chance nicht nur das Verhalten gegenüber Frauen zu verändern und die Rollen gleichberechtigter zu verteilen, sondern auch mit Stigmata und Stereotypen gegenüber Geschlechtern insgesamt aufzuräumen und damit ein besseres System für alle zu schaffen.
Wichtig ist: viele Räume, die im Rahmen von Female Empowerment neu entstehen, wie zum Beispiel zahlreiche Frauennetzwerke, sollten weiterhin Frauen oder anderen – aufgrund ihres Geschlechts diskriminierten – Personen vorbehalten sein. Dennoch gibt es auch einige Möglichkeiten für Männer, den Prozess zu unterstützen. Diese drei praktischen Strategien richten sich an Männer und sollen ihnen dabei helfen, gegen alltäglichen Sexismus vorzugehen und sensibler zu werden.
Klingt vielleicht komisch, aber es funktioniert – UN Women Germany schlägt vor ein sogenanntes „He for She Journal“ zu führen, in dem “Mann” eine Monat lang jeden dritten Tag Fragen beantwortet, um das eigene Verhalten zu reflektiert. Die Idee dahinter ist, dass man durch das Aufschreiben und Nachdenken, mit seinen eigenen Vorurteilen, Privilegien und eben auch Verhaltensweisen konfrontiert wird.
Versuche dir, wenn du das nächste Mal in einem Raum voller Männer bist zu überlegen, wie sich eine Frau in dieser Runde fühlen würde. Werden sexistische Witze gemacht? Redet ihr sogar abfällig über Frauen? Was empfindest du bei geschlechtsbezogenen Kommentaren und wie empfindest du dabei deine auferlegte Rolle als Mann?
Sprich mit deinen Freund:innen und Kolleg:innen über Gleichberechtigung und Female Empowerment. Dafür braucht es keine ausgereiften Gedanken. Es reicht zu zeigen, dass euch diese Thema beschäftigt, dass ihr offen seid, darüber zu reden und bereit etwas dazu zu lernen – denn das können wir alle. Redet vor allem mit euren Partner:innen und erkundigt euch, wie sich die andere Person fühlt, welche Dinge sich ändern sollten, damit eure Aufgaben gleichberechtigter verteilt werden und wie ihr euch gegenseitig unterstützen könnt. Um alte Muster aufzubrechen, müssen wir diese erst reflektieren. Ein ernstgemeintes Gespräch ist dabei ein guter Anfang.
Veröffentlicht am : 01.12.2021