“Streik wie in Japan” – GDL-Streik führt zu Wunschdenken

Magazin Streik wie in Japan 06.03.2024

Liebe Leserin, lieber Leser,

das Thema hat eigentlich fast keinen Nachrichtenwert mehr: Wieder einmal hat die Lokführergewerkschaft GDL nach gescheiterten Tarifverhandlungen einen Streik im Bahnverkehr angekündigt. Wieder einmal dürfte dies das Leben von Millionen Pendler:innen und Reisenden erschweren.

Ihre Frustration darüber zeigen viele Menschen auf Social Media – und beziehen sich immer wieder auf einen konkreten Alternativvorschlag: In Japan würden Streiks im ÖPNV anders ausgestaltet, liest man oft. Während die Arbeitnehmer:innen dort weiterhin ihren gewohnten Tätigkeiten nachgehen, würden lediglich die Tickets nicht mehr kontrolliert. So solle ein Verdienstausfall für das Unternehmen entstehen, ohne Unannehmlichkeiten für die Fahrgäste zu erzeugen. Doch wie viel Wahrheit enthält dieser Social-Media-Mythos tatsächlich – und inwieweit wäre eine derartige Streikumsetzung in Deutschland überhaupt möglich?

Zunächst einmal zum Ursprung der Legende: Dass diese Art des Streiks in Japan allgemein gang und gäbe ist, wie viele Posts behaupten, ist schlichtweg falsch. Zurück geht die Annahme auf einen einmalig durchgeführten Streik in der japanischen Großstadt Okayama, in der 2018 die Busfahrer:innen eines Unternehmens mehr Jobsicherheit forderten und als Druckmittel den Verkauf und die Kontrolle von Fahrkarten einstellten. Ob sich dieses Modell auch auf den Bahnverkehr übertragen lässt, dazu gibt es bisher keine Erfahrungswerte.

Zudem muss hinsichtlich des Vergleichs mit Japan auch bedacht werden, dass die Streikkultur dort wesentlich geringer ausgeprägt ist als in Europa: die Zahl der Streiktage pro Arbeitnehmer ging 2023 gegen Null. Inwieweit dieser Zustand erstrebenswert ist, lässt sich durchaus kontrovers diskutieren – klar werden sollte daran jedoch, dass sich die Ausgangssituationen für Arbeitnehmer:innen drastisch unterscheiden und dementsprechend im Arbeitskampf unterschiedliche Mittel präferiert werden.

Abschließend lassen sich noch ganz praktische Gründe gegen einen “Streik wie in Japan” anführen: Etwa die Tatsache, dass die Lokführer:innen nicht für die Ticketkontrolle zuständig sind, oder der Umstand, dass Fahrkarten in der Regel nicht im Zug verkauft, sondern per App, am Automaten oder als Zeitkarte erworben werden. Auch zeigt sich: Die Streikkultur eines anderen Landes ohne Berücksichtigung der eigenen Umstände auf deutsche Gewerkschaften zu übertragen, ist ein kompliziertes Unterfangen und stellt wohl nicht die Lösung für den aktuellen Arbeitskampf der GDL dar.

Diese Themen haben uns außerdem interessiert:

  • Inklusion: Wird das Potenzial von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt noch unterschätzt? Mit dieser Frage setzte sich eine Umfrage unter Handwerksbetrieben auseinander, deren Ergebnisse das Handelsblatt (€) zusammenfasst.

  • Equal Care Day: Alle vier Jahre findet am 29. Februar der “Equal Care Day” statt, der auf die oft noch unsichtbare Mehrarbeit von Frauen aufmerksam machen will. Details und den aktuellen Stand der Gleichstellung bei Care-Arbeit hat zu diesem Anlass die Tagesschau analysiert. Die große Kluft bei der Sorgearbeit untersucht zudem die Hans-Böckler-Stiftung anhand einer Erwerbspersonenbefragung.

  •  Auch beim Internationalen Frauentag an diesem Freitag dürften die Themen Gleichstellung, Care-Arbeit und Diskriminierung vielerorts wieder aufgegriffen werden.

Im heutigen Newsletter erwarten Dich wieder jede Menge Jobs aus dem politischen Betrieb, u. a. bei Stiftung MercatorSamsung Electronics und WE DO.

Du interessiert Dich für Politikberatung? Nimm an unserem CHECKPOINT Political Consulting am 16. Mai teil. Dort kannst Du Politikberatungen wie 365 Sherpas, ADVERB, Hill & Knowlton, Miller & Meier, FleishmanHillard, Brunswick und viele weitere live kennenlernen.

Dein Interesse gilt eher der wirkungsvollen und cleveren Unternehmenskommunikation? Komm zu unserem CHECKPOINT Corporate Communications in Frankfurt/Main am 06. Juni 2024 und triff Beratungen und Unternehmen, die Dich für ihr Kommunikationsteam suchen!

Solltest Du Freund:innen oder Bekannte haben, die sich auch für politische Jobs interessieren, leite die Anmeldung zu unserem Newsletter gern weiter.

Dieser Text ist zuerst im wöchentlichen politjobs-Newsletter als Editorial erschienen. Wenn du diesen Newsletter mit den neuesten Jobs aus dem Politikbetrieb jeden Mittwoch direkt per Mail erhalten möchtest, kannst du ihn hier abonnieren.

Weitere Stellenanzeigen findest Du wie gewohnt auf politjobs.de und auf WhatsApp.

Streik

Veröffentlicht am : 06.03.2024