Interview: Die Rolle von Frauen in der Politikberatung

Karoline Teuber-Wohl, Mitgründerin der de’ge’pol W, dem jungen Netzwerk für Politikberaterinnen, erzählt im Interview, wie sie die Sichtbarkeit von Frauen in der Politikberatung erhöhen und Karrieren fördern möchten. 


Wer in die Politikberatung möchte, kommt an der de’ge’pol nicht vorbei. Die Deutsche Gesellschaft für Politikberatung setzt sich seit 2002 für Ethik, Vertrauen und Transparenz in der Interessenvertretung ein. Seit 2016 gibt es die Plattform für junge und angehende Berater:innen de’ge’pol COM. Um die Sichtbarkeit von Frauen in der Branche zu erhöhen, wurde 2020 de’ge’pol W gegründet. Durch fachlichen Austausch und Vernetzung werden Vertreterinnen aus den Bereichen Public Affairs, Government Relations, Politikberatung u.ä. gefördert. Unsere politjobs-Leiterin, Sarah Brunner, hat bei Karoline Teuber-Wohl, eine der Mitgründerinnen, nachgefragt, was sich in den letzten Jahren getan hat und wo es noch Verbesserungsbedarf gibt.


Liebe Karoline, wie hat sich die Rolle von Frauen in der Politikberatung in den letzten zwei Jahren entwickelt? Wie erklärst Du Dir diese Entwicklung?

Ein großer Gründungsimpuls für die de’ge’pol W vor etwa 2 Jahren war die Feststellung: Obwohl es zahlreiche Politikberaterinnen gibt, sind diese häufig nicht so sichtbar wie ihre männlichen Kollegen. Wir fünf Co-Gründerinnen – neben mir Inga, Maija, Geraldine und Sabine – haben deshalb beschlossen, mit der de’ge‘pol W Politikberaterinnen ein Netzwerk bzw. eine Plattform zu geben. Die Pandemiesituationen der letzten Jahre hat vieles in Gang gebracht, beispielsweise die Möglichkeit, sich digital zu vernetzen und sichtbar zu machen. Das war gerade für Beraterinnen eine riesige Chance, die viele auch genutzt haben. Aber dennoch haben wir beobachtet, dass Politikberaterinnen in der Pandemie und mit dem Umzug ins Digitale vor neuen Herausforderungen standen – wenn beispielsweise digitale Tools weibliche Stimmen benachteiligen oder man im Umfeld von Social Media besonders als Frau zur Zielscheibe von Hassnachrichten wird. Kurz gesagt: Es ist viel in Bewegung, aber es bleibt noch viel zu tun!


Laut einer Studie der LMU München, waren es vor allem Männer, die den Bund und die Landesregierungen 2020 in den Corona-Gremien beraten haben. Ist das Zufall oder wird Frauen in Krisensituationen weniger Vertrauen geschenkt?

Das Ergebnis der Studie bestätigt für mich: es gibt weiterhin in zahlreichen Bereichen eingefahrene Muster und Strukturen, in denen Frauen nicht ausreichend sichtbar und repräsentiert sind.

Auch im Kontext des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine hörte man nach dem Ausruf der „Zeitenwende“ vor allem männliche Experten und Berater in der Öffentlichkeit. Dennoch: zum ersten Mal sind Schlüsselpositionen in Verteidigungs- und Außenpolitik mit Frauen besetzt. Es ist also doch etwas in Bewegung, obwohl die Frage bleibt: Wie gelingt es, die weibliche Perspektive stärker in öffentliche Diskurse zu bringen?

Für uns bei der de’ge’pol W eine zentrale Frage, die wir schon bei zahlreichen Veranstaltungen zu verschiedenen Themen aufgegriffen haben und sicher weiter diskutieren werden. Aber man sollte auch festhalten: Frauen sind da und organisieren sich – auch in „typisch männlichen“ Domänen. Ich denke, jede:r kennt das Foto der Münchner Sicherheitskonferenz – und das Gegenstück! Wir als de’ge’pol W können Politikberaterinnen nur ermutigen, die Themenbereiche zu besetzen, die sie interessieren.


Würdest Du sagen, dass eine männerdominierte Beratung anders agiert und dementsprechend andere Ergebnisse hervorbringt? Falls ja: Wie ist das aus Sicht der Beratenden und der Kund:innen zu bewerten?

Dass heterogene Teams anders agieren und darauf basierend auch andere Perspektiven entwickeln ist in Lehrbüchern schon lange als Erfolgsfaktor bekannt. Da bildet die Beratung mit Sicherheit keine Ausnahme. Ich selbst habe bisher sehr gute Erfahrungen damit gemacht, in heterogenen Teams zu beraten.


Wie setzt sich die de’ge’pol W dafür ein, dass die Politikberatung weiblicher wird?

Unser Anspruch ist es, Repräsentanz und Partizipation von Politikberaterinnen in der Branche zu erreichen. Die de’ge’pol W Aktivitäten richten sich an Politikberaterinnen aller Karrierestufen. Uns ist es ein Anliegen, Frauen auf jedem Berufslevel einen Raum zum Netzwerken, eine Plattform für Sichtbarkeit und eine Möglichkeit zum Wissensaustausch zu geben. Mir ist dabei besonders wichtig: In unsere Veranstaltungsformate binden wir die Beraterinnen aktiv als Rolemodels und Expertinnen ein – beispielsweise bei unserem Kurzformat #Xpress. Hier steht jeweils eine Karrierefrage im Mittelpunkt und wird mit Praxistipps einer Expertin beantwortet.

Wir schauen aber auch in die Politik selbst. Bei unserem #Xperience zur Bundestagswahl 2021 haben wir zum Beispiel fünf junge Kandidatinnen im Wahlkampf begleitet. Darüber hinaus sind wir auch auf Social Media aktiv, bringen uns zu aktuellen Debatten für Politikberaterinnen ein und sind mit den Hashtags #Politikberaterinnen, #Sichtbarwerden und #GleichstellungsCheck unterwegs.


Hat sich der Frauenanteil und die Rolle von Beraterinnen im politischen Berlin mit der neuen Ampelkoalition verändert?

Um zu wissen, wie sich die Rolle von Beraterinnen in der Branche bzw. im politischen Berlin verändert, müssen wir zunächst einmal den Status Quo erfassen. Deshalb haben wir als de’ge’pol W in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit der Quadriga Universität die Branchenstudie gestartet. Ziel ist es, im Rahmen mehrerer Forschungsarbeiten strukturierte Erkenntnisse zu Vielfalt, Teilhabe, Repräsentanz und Karrierewegen zu erhalten. Ich persönlich denke, dass die Entwicklungen im politischen Berlin hinsichtlich Gleichstellung – ein paritätisch aufgestelltes Kabinett und ein wachsender Frauenanteil in politischen Ämtern – langfristig durchaus den Anspruch an die politische Beratung verändert. Und das wird am Ende auch beeinflussen, von wem und wie beraten wird.


Wo siehst Du noch Handlungsbedarf und wie sehen Eure Pläne bei der de’ge’pol W für dieses Jahr aus?

Handlungsbedarf besteht für die de’ge’pol W mindestens solange wir Politikberaterinnen sichtbarer machen können. Und entsprechend haben wir uns für dieses Jahr einiges vorgenommen: Wir haben unser Mission Statement aktualisiert, weil wir ab diesem Jahr noch zielgerichteter nach außen dafür eintreten möchten, Frauen in unserer Branche zu fördern und in unserem
beruflichen und politischen Umfeld mehr Chancengerechtigkeit zu bewirken. Die oben erwähnte Branchenstudie ist dabei nur ein Teil dessen, was in diesem Jahr geplant ist. Wir wollen uns auf verschiedene Weise anschauen, wie die Berücksichtigung von Frauen in Politik und Gesetzgebung funktioniert (Gleichstellungs-Check) und planen außerdem wieder zahlreiche Austauschmöglichkeiten für unsere Beraterinnen – im Mai zum Beispiel einen gemeinsamen Ausstellungsbesuch im DHM mit anschließendem Networking. Die aktuellen Events sind übrigens immer auf unseren LinkedIn- oder Twitter-Kanälen zu finden.


Hintergrund:

Die de’ge’pol W ist das Netzwerk für Politikberaterinnen der de’ge’pol und de’ge’pol COM. Informationen zur W unter www.degepolw.de; Social Media (Twitter: @degepolW, LinkedIn), Infos zu Mitgliedschaft und Beiträgen unter: www.degepol.de/mitglied-werden

Veröffentlicht am : 27.04.2022