Im Atlas der Digitalen Arbeit 2022 werden die aktuellen Daten und Fakten über die Beschäftigung der Zukunft aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Hans-Böckler-Stiftung dargestellt und über Vorteile und Gefahren diskutiert.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat gemeinsam mit der Hans-Böckler-Stiftung den diesjährigen “Atlas der Digitalen Arbeit” veröffentlicht. In 21 Artikeln wird zu verschiedenen Themen, die die digitale Arbeit betreffen, diskutiert und anhand von Grafiken und Diagrammen werden aktuelle Umfragen dargestellt. Dabei wird auf die Entwicklung der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt, ihre Vorteile als auch Nachteile eingegangen, die in der Betrachtung berücksichtigt werden müssen. Der Fokus des Berichts liegt dabei auf dem Blickwinkel der Arbeitnehmer:innen. Aus ihrer Perspektive ist besonders die Rolle von Gewerkschaften, Betriebsräten und anderen Formen der kollektiven Interessenvertretung zentral, um die Bedürfnisse in der digitalen Arbeitswelt zu berücksichtigen und mögliche Gefahren oder Nachteile abzuwenden bzw. zu minimieren.
Arbeitszeitsouveränität vs. Entgrenzte Arbeitszeit
Penibel definierte Arbeitszeiten scheinen in Zeiten von Homeoffice und dem Trend zur ständigen Erreichbarkeit ein Auslaufmodell zu sein. Das Stichwort der Stunde lautet: Arbeitszeitsouveränität. Für viele Arbeitnehmer:innen ist das eine große Erleichterung und ein echter Benefit. So sind dank des flexiblen Arbeitens die Vereinbarkeit von Job und Familie und eine echte Work-Life-Balance (scheinbar) möglich.
Allerdings kann durch die ständige Erreichbarkeit und das mobile Arbeiten auch jederzeit und an allen Orten gearbeitet werden. Die Arbeit wird auf diese Weise zeitlich und räumlich entgrenzt. Pausen und Ruhezeiten sowie der Feierabend oder auch der Urlaub werden beeinträchtigt, was sich langfristig im Zustand der physischen und psychischen Gesundheit von Arbeitnehmer:innen niederschlagen kann.
Das Dilemma zwischen erwünschter Arbeitszeitsouveränität auf der einen und entgrenzter Arbeitszeit auf der anderen Seite lässt sich daher kaum lösen. Laut dem aktuellen Koalitionsvertrag der Ampelregierung sollen Gewerkschaften und Arbeitgeber gemeinsam flexible Modelle erarbeiten dürfen. Dabei sind auch veränderte Arbeitszeiten pro Tag im Gespräch.
People Analytics
Das Versprechen: Künstliche Intelligenz (KI) als rationales Werkzeug, um beispielsweise Bewerber:innen und ihre Eigenschaften mit dem ausgeschriebenen Job abzugleichen und eine (Vor-)Auswahl zu treffen oder Mitarbeiter:innen und ihr Team zu ermitteln. Auch hier trifft die Wunschvorstellung jedoch selten mit der Realität aufeinander.
Beworben werden Programme zu People Analytics mit den Schlagworten Fairness und Diversität, die die KI fördern solle, da sie keine Vorurteile gegen Einzelpersonen oder bestimmte Gruppen habe. Ein Negativbeispiel für ein solches Programm stellt jedoch die gescheiterte Entwicklung einer Software für den Großkonzern Amazon dar. Die KI erkannte typische Männersprache in Bewerbungen (z.B. to execute „ausführen“ oder to capture „erobern“) als erfolgversprechend an und wertete sie auf, während sie hingegen begann, nach dem Wort Frau zu suchen (z.B. „Ich spiele in einem Frauen-Rugbyteam“), um Bewerberinnen abzuwerten. Das Projekt wurde nach vier Jahren Entwicklung schließlich eingestellt.
Wichtig ist bei solchen KI-Programmen, Regelungen zu schaffen, die aufklären, Mitbestimmung ermöglichen und einen Einsatz der Systeme im Sinne der Beschäftigten gewährleisten. An dieser Stelle können Betriebsräte aktiv werden, indem sie ein Mitbestimmungsrecht im Umgang mit KI-basierten Systemen einfordern. Das 2021 in Deutschland verabschiedete Betriebsrätemodernisierungsgesetz sieht vor, dass die Belegschaftsvertretungen zur Bewertung von KI, wie zum Beispiel People Analytics, Sachverständige hinzuziehen dürfen. Mehr zur Fehlbarkeit von Algorithmen findest du übrigens direkt hier im Magazin.
Daten und Überwachung
Durch die digitale Arbeit hinterlässt jeder unserer Schritte individuelle Datenspuren. Offensichtlich ist das, wenn es um die Nutzung digitaler Arbeitsgeräte wie Smartphones, Laptops oder Recherchen im Internet geht. Aber auch die Fahrt im Firmenwagen oder das “Einstempeln” zu Arbeitsbeginn und -schluss ermöglichen bereits Rückschlüsse. Solche Daten können zum Beispiel genutzt werden, um die individuelle Arbeitsgeschwindigkeit oder Leistungsfähigkeit zu analysieren. Zusätzlich gehören digitale Personalprofile in HR-Systemen zum Standard, die wiederum sensible Daten und Informationen über uns sammeln. Die Gesamtmenge dieser Daten kann ein transparentes Informationsmittel über uns ergeben. Das ist zumeist als Verarbeitung von Vorratsdaten bereits jetzt rechtlich unzulässig. Doch der DGB und die Hans-Böckler-Stiftung fordern vom Gesetzgeber ein wirkungsvolles Datenschutzgesetz, das die Arbeitnehmer:innen besser vor Überwachung am Arbeitsplatz schützt.
Veröffentlicht am : 11.05.2022