Dream Job? – I don’t dream of labour!

Überstunden, mit wenig Schlaf prahlen und sich nur über den beruflichen Erfolg definieren – all das war vor wenigen Jahren noch für viele Menschen selbstverständlich. Die Hustle-Culture lag voll im Trend und gerade die Generation Y schien nichts anderes mehr zu tun, als zu arbeiten. Doch damit ist es jetzt vorbei! Hier erfährst Du, wie sich die Arbeitsmentalität insbesondere bei jungen Menschen verändert hat und was das für Arbeitgeber:innen bedeutet.


Leben um zu arbeiten oder arbeiten um zu leben?

Bis vor wenigen Jahren erlebte die Hustle-Culture noch einen riesigen Boom. Immer mehr Menschen sahen ihren Lebensmittelpunkt in der Arbeit. Den ganzen Tag lang hieß es hustle, hustle, hustle und #sleepisforlosers, denn klar: Es ist nicht nur wichtig, richtig hart zu arbeiten, sondern auch dass das jede:r mitbekommt, z.B. durch Kaffee- und ToDo-Posts auf Instagram und Co. Doch dieser popkulturelle Trend erlebte einen Wandel. Insbesondere junge Menschen wenden sich von der Hustle Culture ab: Eine ganze Welle an Kündigungen überrollte bereits 2021 den amerikanischen Arbeitsmarkt – mehrere Millionen Menschen kündigten ihren Job und das freiwillig! Aber warum? Mit Sprüchen wie „Dream Job? I don’t dream of labour!“  erklärten bereits im vergangenen Jahr viele junge Menschen auf Social Media, warum sie sich entschieden haben, nicht mehr in einem Job zu bleiben, der sie unglücklich macht. Aber sie kündigen nicht, um sich danach eine andere Stelle zu suchen. Nein, sie erwarten eine echte Veränderung. Viele sind nicht mehr bereit, ihre Arbeit zu ihrem Lebensmittelpunkt zu machen. Statt zu leben um zu arbeiten, wollen sie arbeiten um zu leben.

Die Bewegung ist kein rein amerikanisches Phänomen, auch in Deutschland zeichnet sich ein Wandel ab: Bei der jährlichen Gallup-Erhebung waren erstmals mehr Deutsche als Amerikaner:innen dazu bereit, ihren Job zu wechseln: 23% der Befragten in Deutschland gaben an, dass sie innerhalb eines Jahres den:die Arbeitgeber:in wechseln wollen, 42% innerhalb der nächsten drei Jahre. Kommt nun also auch eine Kündigungswelle auf Deutschland zu? Und was fordern junge Arbeitnehmer:innen eigentlich?


Die Forderungen der jungen Arbeitnehmer:innen

Eine der meistgenannten Forderungen ist eine kürzere Arbeitszeit. Das bedeutet nicht, dass “die Jugend faul geworden ist”, wie es gerne von älteren Generationen hallt. Hier ist ein genauer Blick auf die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte sinnvoll: Dass sich die in Deutschland lebenden Menschen kürzere Arbeitszeiten wünschen, ist schon länger klar. Laut SOEP geht die gewünschte Arbeitszeit bei Männern seit 2007 immer weiter zurück. Damals wünschten sie sich noch 39,16 Stunden pro Woche, im Jahr 2018 nur noch 36,05 Stunden. Auch bei den Frauen werden die gewünschten Arbeitszeiten immer kürzer, wenn auch nicht ganz so stringent. Im Jahr 2011 wünschten sie sich noch 31,05 Arbeitsstunden, 2018 nur noch 29,51. Kürzere Arbeitstage sollten auch im Interesse von Arbeitgeber:innen liegen, wie eine britische Studie zeigt. In dieser wurde untersucht, wie lange Arbeitnehmer:innen an einem Arbeitstag durchschnittlich produktiv arbeiten. Das Ergebnis: nicht einmal drei Stunden! In der übrigen Zeit reden sie mit Kolleg:innen, sind auf Social Media unterwegs, machen sich Essen oder suchen sogar nach einem neuen Job. Sind lange Arbeitszeiten dann überhaupt noch sinnvoll? Nein.


Kommt die 4-Tage-Woche auch nach Deutschland?

Es ist also Zeit für einen Wandel. Für Arbeitnehmer:innen gibt es gute Nachrichten: Zumindest in Deutschland ist für sie historisch gesehen ein guter Zeitpunkt für Veränderungen: Mit 1,74 Millionen freien Stellen im ersten Quartal diesen Jahres gibt es so viele Stellenangebote wie nie zuvor in Deutschland. Der Fachkräftemangel ist stärker denn je. So können Arbeitgeber:innen die Wünsche der Arbeitnehmer:innen nicht mehr länger ignorieren. Arbeitszeiten müssen flexibler und kürzer werden. Die Arbeit soll nicht mehr der Lebensmittelpunkt sein, sondern sich mit der Freizeit besser vereinbaren lassen.

Es gibt bereits einige Vorreiter:innen. Eine Sanitärfirma aus der Nähe von Nürnberg zum Beispiel hat bereits die Vier-Tage-Woche eingeführt und die Arbeitszeit so von 40 auf 38 Stunden pro Woche reduziert – und das bei gleichbleibender Bezahlung. Zwar müssen die Angestellten nun an den übrigen vier Tagen länger arbeiten, aber der Produktivität hat das bisher nicht geschadet. Die Arbeit wird komprimierter und effektiver erledigt, dafür ist die Erholungsphase länger. Zudem fällt den meisten Kund:innen gar nicht auf, dass ein Tag weniger gearbeitet wird. Kritik gibt es hingegen von der Konkurrenz, denn diese sieht sich nun im Zugzwang. Im Kampf um gute Arbeitskräfte stehen nun einmal Organisationen besser da, die auf die Wünsche der Arbeitnehmer:innen eingehen. Auch in anderen Ländern wird mit neuen Arbeitszeitmodellen experimentiert. So testete Island zum Beispiel über mehrere Jahre die 4-Tage-Woche. Auch hier waren die Ergebnisse ähnlich wie in Nürnberg: Die Produktivität stieg und die Studie wurde als Erfolg verbucht. Dennoch ist noch fraglich, wie die Ergebnisse dieser Studie auf andere Länder übertragen werden können. Auch lässt sich dieses Modell nicht ohne weiteres auf alle Branchen ausweiten. Besonders bei Jobs wie Handwerk oder Pflege ist es kaum möglich das gleiche Arbeitspensum einfach in kürzerer Zeit zu schaffen. Dennoch: gerade in den Branchen, in denen es möglich ist, müssen Arbeitgeber:innen auch in Deutschland auf die Wünsche der Arbeitnehmer:innen eingehen, denn auf die Hustle-Culture-Mentalität kann man nicht mehr setzen.

Veröffentlicht am : 03.08.2022