Quiet Quitting – Kündigung durch gesunde Work-Life-Balance?

Öffnet man derzeit LinkedIn oder ist auf Social Media in der New Work-Bubble unterwegs, kommt man an einem Begriff gerade nicht mehr vorbei: Quiet Quitting. Doch was hat es damit auf sich?

Der Hype begann mit einem TikTok-Video am 25.07.2022: Ein Mann spricht mit angenehmer Stimme, untermalt mit Bildern aus seinem Alltag in New York über den Begriff Quiet Quitting. “Arbeit ist nicht Dein Leben, Dein Wert als Mensch definiert sich nicht über Deine Produktivität“, sagt er. Der Urheber des Videos, der amerikanische TikToker Zaid Khan, erklärt, es ginge nicht darum, seinen Job zu kündigen, sondern sich von der Idee zu verabschieden, dass der eigene Job das Leben bestimme und man sich nicht der Hustle-Culture hingeben solle. Seitdem trendet der Begriff und unter dem Video finden sich tausende Kommentare, in denen Menschen entweder davon berichten, wie sie “quiet quitten” und wie gut es ihnen tut, oder von Menschen, die es wiederum nicht schaffen und sich von ihrem Job zunehmend überfordert fühlen.

Was ist Quiet Quitting?

Quiet Quitting bedeutet auf Deutsch so viel wie “stille Kündigung”. Mit einer Kündigung hat das Quiet Quitting jedoch – anders als der Name vermuten lässt – nichts zu tun. Oft wird der Trend auch als Gegenstück zur Hustle Culture bezeichnet. Hierzulande würde man ihn vielleicht als “Dienst nach Vorschrift” bezeichnen. Im Grunde geht es darum, auf der Arbeit genau das zu tun, was von einem verlangt wird – und nichts darüber hinaus. Es geht darum, gesunde Grenzen zu setzen und aus dem Kreis der Hustle Culture auszubrechen. Konkret bedeutet das, (je nach vertraglicher Arbeitszeit) nach genau acht Stunden den Laptop zuzuklappen, nach Feierabend nicht mehr erreichbar zu sein und auch sonst das Privatleben nicht (mehr) hinter das Arbeitsleben zu stellen. Der Shift vom “Leben, um zu Arbeiten” zum “Arbeiten, um zu Leben” sozusagen.

Zwar ist der Trend in letzter Zeit durch das TikTok-Video und die darauf folgende Aufmerksamkeit in den sozialen Netzwerken wieder aufgeflammt, neu ist er jedoch nicht. Das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Gallup verzeichnet bereits seit Anfang der Corona-Pandemie stagnierendes Engagement und Wohlbefinden der globalen Angestellten gegenüber ihren Arbeitgebenden, vor der Pandemie stiegen diese Zahlen noch. Auch in Deutschland lässt sich die Hustle Culture erkennen: 2021 haben 4,5 Millionen Arbeitnehmer:innen in Deutschland mehr gearbeitet, als in ihrem Arbeitsvertrag vereinbart wurde.

Die Vorteile von Quiet Quitting

Der Sinn von Quiet Quitting liegt quasi auf der Hand: eine gesunde Work-Life-Balance. Indem Arbeitnehmer:innen gesunde Grenzen setzen und “nur” so viel arbeiten, wie im Arbeitsvertrag festgelegt ist, haben sie mehr Zeit für die schönen Dinge des Lebens. Sei es ungestörte Zeit mit der Familie oder mit Freund:innen, Zeit für sich selbst oder für ein neues Hobby. Das wirkt sich positiv auf die mentale Gesundheit aus und führt dazu, dass mehr Energie für den Job aufgebracht werden kann.

Andere Perspektiven zum Thema

Einige Artikel framen das Quiet Quitting nun als Trend der Generation Z und stellen die Frage, ob die jüngere Generation einfach zu faul zum “richtigen” Arbeiten sei. Ganz klar geht die Debatte damit in die falsche Richtung. Der Druck und die Überlastung, insbesondere durch die aktuellen Krisen, betreffen alle Arbeitnehmer:innen. Spannend ist allerdings, dass die jüngere Generation es besser schafft, klare Grenzen für sich zu ziehen, ein besseres Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben zu schaffen und dies auch klar zu äußern. 

Nicht verwechseln sollte man die “stille Kündigung” mit dem Begriff der “inneren Kündigung”. Bei diesem Phänomen sind Arbeitnehmer:innen so unzufrieden in ihrem Job, dass sie geringere Arbeitsleistung liefern, als in ihrem Vertrag vorgesehen ist. Expert:innen warnen deshalb vor der Missinterpretation des Quiet Quitting, aufgrund der negativen Konnotation des Kündigungsbegriffs. Es geht bei dem Trend nicht um Unmotiviertheit oder gar Faulheit, sondern darum, zum eigenen Wohl Grenzen zu ziehen, seine eigene mentale Gesundheit zu priorisieren und sich nicht vom Job ausbeuten zu lassen – eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Auch auf LinkedIn wurde der Trend aktiv diskutiert. Ein spannender Gedanke kommt von Markus Langer, Head of Corporate Identity & Brand Experience bei der Evonik Industries AG. Er beschreibt Quiet Quitting als Symptom von fehlender bzw. unzureichender Führungsfähigkeit. “Wenn die Motivation am Arbeitsplatz flöten geht, wenn die Arbeitssituation keine Identifikation mehr erlaubt, dann sprechen wir von Führungsversagen.” Die “stille Kündigung” sei aus seiner Sicht also ein Phänomen, das vonseiten der Führungskräfte und ihrer fehlenden Motivationsfähigkeit herrührt.

Zusammengefasst ist Quiet Quitting wohl ein Trend, der sich aus der Summe verschiedener Umstände – wie beispielsweise der Schnelllebigkeit des (Arbeits-)Alltags, der Hustle Culture, globaler Krisen und dem Fachkräftemangel – entwickelt hat. Spannend bleibt, wie sich die Arbeitskultur weiterentwickeln wird. In jedem Fall sind auch die Arbeitgeber:innen gefragt, sich mit den Bedürfnissen ihrer Beschäftigten auseinanderzusetzen und deren Arbeit ausreichend zu wertzuschätzen.

Veröffentlicht am : 07.09.2022