Wie Du Pink Washing erkennst und warum es problematisch ist

Im Juni, dem Pride-Monat, sieht man sie überall: Pride-Flaggen. Viele Unternehmen zeigen sich während der Pride als besonders queerfreundlich. Das Problem: nicht immer ist diese Solidarität auch wirklich ernst gemeint, sondern eher eine Marketingstrategie. Wir zeigen Dir, warum das problematisch ist und wie Du wahre Queerfreundlichkeit von einer Image-Kampagne unterscheiden kannst:


Am Samstag ist es endlich wieder so weit: Hunderttausende werden durch die Straßen Berlins ziehen und für die Rechte von queeren Menschen demonstrieren. Der Christopher-Street-Day wird bereits seit vielen Jahren gefeiert und wie jedes Jahr solidarisierten sich besonders im Juni, dem internationalen Pride-Monat, auch viele Unternehmen mit der LGBTQIA+-Community. Denn Solidarität findet nicht nur im Privaten statt, sondern auch deren öffentliche Sichtbarkeit ist wichtig. So wehen seit Wochen die Pride-Flaggen und viele Unternehmen haben ihr Logo temporär mit einem Regenbogen unterlegt. Doch dies kann auch problematisch sein.

Das Problem hat einen Namen: Pink Washing. Dieser leitet sich von dem Begriff Green Washing ab und meint vorgetäuschte Solidarität zu Marketingzwecken. Wie beim Green Washing wird also der gute Zweck promotet – allerdings nicht in erster Linie um wirkliche Gleichberechtigung zu erreichen oder etwas für die Umwelt zu tun, sondern um sich als queer-freundlich darzustellen und ganz nebenbei (oder eben als zentrale Intention) das Thema für eine Werbekampagne in eigener Sache zu nutzen. Es ist nun mal einfacher, sein Profilbild mit einem Regenbogen zu ersetzen, als tatsächlich etwas zu tun. Und es bringt auch mehr Geld ein, sich als queer-freundlich zu profilieren, anstatt beispielsweise Initiativen zu unterstützen, die der Gleichberechtigung tatsächlich zuträglich sind.

Beispiele, in denen Organisationen Pink Washing vorgeworfen werden, gibt es leider sehr viele: So berichtete die WELT im Juni 2021 über eine „Doppelmoral“ der Autohersteller Daimler und BMW. Letzterer präsentierte sich auf seinen deutschen Social-Media-Seiten mit Pride-Flag, während der Pride Month auf den Unternehmens-Accounts für Russland und Saudi-Arabien mit keiner Silbe erwähnt wurde. Ganz nach dem Motto: „Gebt ihnen nur, was sie hören möchten.“

Ein Jahr später wurde die WELT jedoch selbst zum Ziel von Kritik für einen Meinungsbeitrag über eine „Sendung mit der Maus“, die erklärt hatte, was es bedeutet trans zu sein. Unter dem Titel „Wie ARD und ZDF unsere Kinder indoktrinieren“ kritisierten fünf Gastautor:innen die angebliche Transgender-Ideologie des öffentlichen Rundfunks. Von Solidarität mit queeren Menschen ist in diesem Beitrag nichts mehr zu sehen. Innerhalb kürzester Zeit löste der Artikel starke Gegenreaktionen aus und selbst der Axel-Springer-CEO meldete sich zu Wort. Er bezeichnete den Artikel als „unterirdisch“, verwies aber auch auf die Meinungsfreiheit. Schließlich seien Gastbeiträge wie dieser auch dazu gedacht, Grenzen auszuloten und Debatten zu initiieren. Dennoch spiegele der Artikel nicht die Meinung der Zeitung wider.


Pink-Washing erkennen

Wie aber kannst Du erkennen, ob ein Unternehmen die queere Community wirklich unterstützt oder ob es sich nur zu Marketing-Zwecken solidarisiert? Besonders Jobsuchende stellen sich diese Frage, wenn sie auf den Social-Media-Accounts von potenziellen Arbeitgeber:innen stöbern. Und das Erkennen ist leider gar nicht so einfach. Denn auch echte Solidarität kann gleichzeitig ein Werbemittel sein und hinter manchem Pride-Logo steckt eben doch mehr, als man zuerst vermutet. Es gibt aber ein paar Dinge, auf die Du achten kannst, wenn Du eine:n queerfreundliche:n Arbeitgeber:in suchst.

  1. Wie verhält sich das Unternehmen außerhalb des Pride-Monats?

Natürlich ist es toll, wenn ein Unternehmen sich einen Monat lang solidarisiert. Aber das ist nicht genug. Queere Menschen brauchen das ganze Jahr über Gleichberechtigung und der Arbeitsplatz darf nicht nur im Juni ein sicherer Ort sein, egal wer man ist oder wen man liebt. Wenn Du also nach einem Unternehmen suchst, das sich wirklich für die LGBTQIA+-Community einsetzt und sich das Anliegen nicht nur temporär auf die Fahnen schreibt, schau am besten danach, ob und was es in diesem Bereich außerhalb des Pride-Monats tut.

  1. Wie divers ist das Team?

Klar, wie divers ein Team ist, lässt sich von außen nicht wirklich erkennen und auch Teams, die nur aus weißen alten Männern bestehen, können offen und solidarisch sein. Aber die Abwesenheit von Teammitgliedern, die weder weiß noch männlich sind, sollte Dir schon zu denken geben.

  1. Der Pride-Index

Oft ist es sinnvoll, nicht ausschließlich darauf zu achten, was das Unternehmen selbst über die eigene Solidarität und Offenheit berichtet. Für eine objektivere Beurteilung können Zertifikate hilfreich sein. So berechnet zum Beispiel die Uhlala-Group den Pride-Index für über 70 große und mittelständige Unternehmen. In verschiedenen Kategorien, wie beispielsweise Organisationsstruktur, Kommunikation & Recruiting oder rechtlicher Rahmen & Regelung, untersuchte Uhlala dabei, wie stark sich die Unternehmen für LGBTIQ+-Diversität einsetzen und erstellte ein Ranking dieser Unternehmen. Allerdings sind auch solche Zertifikate mit Vorsicht zu genießen: Nach der Veröffentlichung des ersten Pride-Index mussten die Ergebnisse von fünf Unternehmen wieder nach unten korrigiert werden, da es einige Unternehmen bei ihren Angaben mit der Wahrheit nicht so genau nahmen und sich als queerfreundlicher darstellten, als sie eigentlich sind. Es ist also wirklich nicht so einfach zu erkennen, wo Pink Washing betrieben wird.


Was kann man als Unternehmen tun, um sich wirklich zu solidarisieren und nicht nur das eigene Image zu polieren?

Das geht auf verschiedenen Wegen, denn echte Solidarität entsteht nicht durch eine einzige gut Tat, sondern durch eine ganze Reihe. Auf diese Weise wird ein Umfeld aufgebaut, in dem Queerfeindlichkeit keinen Platz hat. Hier sind nur ein paar Beispiele, wie ein Unternehmen ein solches Umfeld fördern kann:

  1. Nicht mit Queer-feindlichen Unternehmen zusammenarbeiten

Wer sich wirklich klar gegen Homophobie, Transphobie etc. positionieren will, sollte das nicht nur innerhalb des eigenen Unternehmens tun, sondern auch in der Auswahl seiner Geschäftspartner:innen. Und auch wenn es unbequem sein kann, eine Zusammenarbeit deshalb zu beenden, ist es dennoch ein wichtiges Zeichen. Denn Solidarität kann nicht da aufhören, wo es unbequem wird.

  1. Inklusive Sprache

Bei Stellenausschreibungen ist ein gendergerechter Jobtitel inzwischen sogar verpflichtend in Deutschland. Wer es wirklich ernst meint, sollte auch darüber hinaus in den Stellenausschreibungen und bei der Social-Media-Kommunikation auf eine inklusive Sprache achten. Auch die interne Kommunikation spielt dabei eine wichtige Rolle.

  1. Intern kommunizieren, dass Queerfeindlichkeit nicht toleriert wird

Ja, sichtbare Solidarität nach außen ist super und wichtig – aber nur dann, wenn sie nicht jenseits der Öffentlichkeit aufhört. Deswegen ist es wichtig, dass die Sorgen von Mitarbeiter:innen ernstgenommen werden und dass es einen Rahmen gibt, in dem queerfeindliche Äußerungen oder Handlungen gemeldet werden können. Und dass diese Meldungen nicht unter den Teppich gekehrt werden, sondern ihnen ernsthaft nachgegangen wird.

Veröffentlicht am : 20.07.2022